"Bei Kaiser Franz Joseph
hat der Narr gefehlt"

Leopold Altenburg ist der Ururenkel des habsburgischen Kaiserpaares Franz Joseph I. und Elisabeth. Ein Gespräch über seine Familie, das Erbe, Politik und die Rolle des Clowns.

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Habsburger - "Bei Kaiser Franz Joseph
hat der Narr gefehlt" © Bild: imago/Future Image

Leopold Altenburg wuchs in Graz auf, studierte am Wiener Konservatorium Schauspiel. Er arbeitet als Clown bei den Roten Nasen in Berlin, wo er mit seiner Familie auch wohnt, ist Schauspieler, Regisseur und Kabarettist. Er ist ein Ururenkel von Kaiser Franz Joseph I. und Kaiserin Elisabeth und stammt von Elisabeths jüngster Tochter Marie Valerie (1868-1924) ab, die den Offizier Franz Salvator von Österreich-Toskana heiratete. Heuer veröffentlichte Altenburg das biographische Buch „Der Kaiser und sein Sonnenschein“.

© Gregory B. Waldis Leopold Altenburg

„Ich nenne Sie Ururgroßmutter. Elisabeth sage ich aber auch gerne“. Sisi kommt Leopold Altenburg nicht über die Lippen – „Das ist ein Kosename gewesen, den nur die engsten Familienangehörigen benutzt haben“. Die Kombination aus Kaiserin und Sisi sei für seinen Vater „unmöglich gewesen“. Aber dazu später mehr…

News: Herr Altenburg, wir führen das Interview über das Telefon. Das heißt, ich sitze Ihnen gar nicht gegenüber. Somit müssen Sie mir verraten, ob ich eine Ähnlichkeit erkennen würde, zwischen Ihnen und ihrer Ururgroßmutter Kaiserin Elisabeth oder ihrem Ururgroßvater Kaiser Franz Joseph.
Leopold Altenburg: Das ist für mich schwierig zu beurteilen. Aber manche sagen, dass ich von Kaiser Franz Joseph den dichten Bart habe und von Kaiserin Elisabeth die Schönheit. (lacht)
Aber neulich hat mir tatsächlich jemand gesagt, dass die Augenpartie von mir und der Kaiserin ähnlich sei. Ich kann es selbst tatsächlich schwer beurteilen. Aber vielleicht stimmt das ja.

Wir werden einfach einen genaueren Blick auf die Fotos werfen…
Ja, bitte tun Sie das.

© Stefan Ludwig Im "Gipskeller" der Wiener Hofburg. Kaiser Franz Josef (1830-1916)schaut auf seine Elisabeth(1837-1898). Dazwischen ihr Ururenkel Leopold Altenburg

Herr Altenburg, bitte stellen Sie sich doch einmal mit vollständigem Namen vor.
Leopold Maximilian Vinzenz Petrus Maria Altenburg.

Und warum Altenburg und nicht Habsburg?
Altenburg heiße ich deshalb, weil mein Großvater 1930 nicht standesgemäß geheiratet hat. Das heißt: Nicht nach dem Hausgesetz der Habsburger. Ein sehr strenges Gesetz, das im 19. Jahrhundert nochmals niedergeschrieben wurde und 1930 – nach der Monarchie – immer noch gegolten hat. Und das besagt, dass ein Mitglied des Erzhauses nur eine Frau heiraten darf, die aus einem regierenden oder ehemals regierenden Haus ist.

Und damit hat er auf den Namen verzichtet?
Mein Großvater hat sich entschieden, sich umzubenennen. Das hätte er gar nicht müssen. Er hätte sich weiterhin Habsburg nennen können und wäre dann Familienintern als Graf anerkannt gewesen. Das war für ihn aber zu unklar. Die einen hätten dann gedacht, er gehöre noch zum Erzhaus, die anderen hätten gedacht, warum heißt er noch Habsburg?

War das eine schwierige Entscheidung für Ihren Großvater?
Ja. Ich glaube, es war für ihn und meine Großmutter sehr schmerzhaft – die Tatsache, von der Familie als Mensch nicht vollwertig anerkannt zu werden. Mein Großvater hätte das aber auch alles ignorieren können.

»Es ist schwierig, die Loyalität abzulegen«

Inwiefern?
Er hätte sagen können, die Umstände sind jetzt anders, wir haben 1930, die Monarchie ist seit zwölf Jahren vorbei und ich nenne mich einfach weiterhin Habsburg. Aber er hatte solch ein loyales Gefühl dem Hause gegenüber und wollte das alles korrekt machen.

Kann man dieses loyale Gefühl überhaupt ganz ablegen, wenn man aus einer Familie stammt, die diesen großen Namen trägt?
Es ist schwierig (lacht). Das bringt auch die Erziehung mit sich. Da gilt: Man darf durchaus kritisch sein, aber wichtig ist trotzdem, loyal zu bleiben.
Für mich war es dann aber ehrlich gesagt erleichternd, als ich nach Deutschland gegangen bin und gar nicht auf das Thema Habsburg oder Monarchie angesprochen wurde. Das wusste dort einfach niemand und ich habe es auch nicht groß thematisiert. Ich war einfach der Herr Altenburg, der Schauspieler, Regisseur und Kabarettist ist.

Bleiben wir dennoch beim Namen. Karl Habsburg wurde geklagt, weil er seine Website Karl von Habsburg genannt hat. In Österreich wurde die Verwendung von Adelstiteln im Jahr 1919 untersagt. Finden Sie die Regelung in Deutschland sinnvoller, wo der Titel Teil des Namens ist?
Die Regelung wirbelt auf jeden Fall weniger Staub auf. In Deutschland ist der Titel Teil des Namens und damit ist die Sache auch erledigt. Die Namensträger fühlen sich damit auch nicht als etwas Besseres. So empfinde ich das zumindest.

In Österreich ist die Entscheidung gefallen, dass es keinen Titel geben soll und auch damit kann man gut leben. Ich glaube, da sollte man gar nicht so viel drüber diskutieren, denn so entsteht eine Angst vor Menschen, die diesen Titel haben könnten und dafür gibt es wahrlich keinen Grund.

Im Video: Royals, die ihr Geld selbst verdien(t)en

© Video: News.at

Kennen Sie Karl Habsburg eigentlich persönlich?
Ich bin ihm nur ein Mal begegnet. Von Kennen kann man hier also nicht sprechen. Seinen Sohn hingegen, Ferdinand, habe ich interviewt für die Dokumentation „Auf den Spuren des Kaisers“ und das war eine sehr schöne, nette Begegnung.

Sie haben bereits das Thema Loyalität angesprochen. Wie darf man sich Ihre Erziehung denn vorstellen, welche Werte und Regeln hatten besondere Bedeutung?
Es gab natürlich Traditionen, die wir beibehalten haben. Beispielsweise die Art, miteinander zu essen, wie der Tisch gedeckt war, die Sitzordnung. Wobei solche Vorgaben natürlich auch ein wenig gelockert wurden. So durften wir Kinder schon auch Fragen stellen und uns an der Konversation zu Tisch beteiligen.

Wie sieht das bei Familie Altenburg denn heute aus? Gibt es da auch eine strenge Sitzordnung?
Wir sind zu viert. Bei uns hat sich tatsächlich eine Sitzordnung ergeben, aber nur weil sie eben praktikabel ist: Meine Frau und ich sitzen näher zur Küche, damit wir schneller dort sind (lacht) und unsere zwei Töchter sitzen uns gegenüber.

Klingt ganz gewöhnlich.
Ja. Man muss aber sagen, dass hier zwei unterschiedliche Kulturen aufeinander getroffen sind, als ich mich damals mit meiner Frau Juliane verlobt habe.

Inwiefern?
Ihr Vater war Pastor, die Mutter Künstlerin und bei ihnen zu Hause gab es so etwas wie eine fixe Sitzordnung nicht. Als ich in die Familie kam, musste ich dann erst einmal lernen und erkennen „Ah! Ich kann mich mal auf diesen Platz setzen, mal auf diesen“. So wie ich eben Lust habe (lacht). Und umgekehrt, als Julianes Familie dann bei meinen Eltern war, mussten sie unserer Sitzordnung erst verstehen…

Mussten Sie die Familie ihrer Frau vorab briefen?
Nein, das musste ich nicht. Die wussten sich ja zu benehmen (lacht).

Aber für Außenstehende sind so manche Regeln oder Codes nicht gleich ersichtlich.
Ein bisschen habe ich natürlich schon erklärt. Sie wollten beispielsweise selbst den Tisch abdecken. Dann habe ich Ihnen erklärt, dass sie das nicht machen müssen, sondern wir, die nächste Generation, das übernimmt. Es ist nämlich so, dass die Älteren sehr geachtet werden und sie weiterhin Konversation führen, während die jüngere Generation den Tisch auf- und abdecken muss.

Welchen Beruf haben ihre Eltern ausgeübt?
Mein Vater war Verlagskaufmann bei der Styria. Eigentlich wollte er Geschichte und Kunstgeschichte studieren. Davon hat ihm seine Mutter aber abgeraten.

Warum?
Vermutlich mit der Begründung „Du bist aus dem Hause Habsburg und man wird das nicht ernst nehmen.“ Daraufhin hat er Jus studiert, ist damit jedoch ziemlich gescheitert. Durch seine zweite Liebe, die Liebe zu den Büchern, ist er dann aber im Verlagswesen gelandet.

Und ihre Mutter?
Meine Mutter hat sich um meine vier Geschwister und mich gekümmert. Und hat das Haus geschubst.

»Ist das eine Person, die schon 300 Jahre tot ist oder ist das eine Tante, über die man grade spricht?«

Wie wurde mit dem Erbe umgegangen? Wie ist Ihnen die Familiengeschichte näher gebracht worden?
Tatsächlich meistens über Anekdoten. Es war nicht so, dass meine Eltern gesagt haben „So, jetzt setzen wir uns mal zusammen und wir erzählen euch von Erzherzog Johann“.

Wir hatten immer ein sehr offenes Haus und insbesondere am Wochenende hatten wir immer viel Besuch. Am Sonntag nach dem Mittagessen hat man sich dann in den sogenannten Salon begeben, es wurde geraucht und türkischer Kaffee ausgeschenkt und dann hat man über all diese Vorfahren gesprochen. Immer so, als würde man sie persönlich kennen. Ein fliegender Wechsel zwischen Personen aus der Gegenwart und bereits Verstorbenen. Wir als Kinder mussten dann immer unterscheiden, ist das jetzt eine Person, die schon 300 Jahre tot ist oder ist das eine Tante, über die man grade spricht? Diese Sprünge zwischen den Biographien waren für mich als Kind unheimlich spannend. Ich habe zugehört und beobachtet.

Und wie darf man sich heutzutage Familienfeste vorstellen, wenn die Habsburger aufeinandertreffen? Wie viele von den noch lebenden Nachfahren kennen Sie eigentlich persönlich?
Eine genaue Zahl kann ich gar nicht nennen. Es sind tatsächlich sehr viele, haben sie sich doch alle recht zahlreich vermehrt.

Haben Sie denn einen Geburtstagskalender, damit die Glückwünsche auch rechtzeitig rausgehen?
(lacht) Für die nahe Verwandtschaft schon, ja. Unsere Familie, also die meines Vaters, ist ja auch recht groß. Im Dezember letzten Jahres gab es ein großes Altenburg-Treffen in Salzburg. Da sind fast alle erschienen, rund 150 Leute.

Und die kennen sie alle namentlich?
Ich kenne alle. Aber man sieht sich sehr selten. Die Familie ist doch recht weit verstreut. Aber wenn sich dann alle mal sehen, ist das sehr spannend und berührend.

Die Familie Habsburg wurde 1918 weitestgehend enteignet. Ist das aus Ihrer Sicht ein Unrecht?
Bei meiner Familie war es anders. Die Familie von Marie Valerie und Franz Salvator hat die Verzichtserklärung unterschrieben. Sie wollten Österreich nicht verlassen. Dafür bin ich ihnen - und wahrscheinlich viele andere in der Familie auch - sehr dankbar. Sie durften dadurch nämlich das Privatvermögen behalten und haben damit den Nachkommen eine Zukunft gesichert. Aus diesem Grund ist Schloss Persenbeug, die Kaiservilla in Bad Ischl und das Schloss Wallsee noch immer in Familienbesitz.

Und der andere Teil der Familie; wie haben sie die Enteignung empfunden?
Die Nachkommen von Kaiser Karl und Kaiserin Zita finden das nicht in Ordnung, sie empfinden das als eine Ungerechtigkeit.

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Wir machen einen Sprung. Was war Kaiserin Elisabeth für eine Frau?
Sie war eine sehr vielseitige Frau. Das hat sich in verschiedenen Lebensbereichen widergespiegelt. Beispielsweise der Schönheitskult, den sie mit Anfang 20 begonnen hat. Die nächste Phase war die sportliche Phase. Sie konnte unglaublich gut reiten und wäre heute bestimmt Spitzensportlerin. Zudem konnte sie auch dichten. Ihre Gedichte haben, sagen wir (überlegt)… vielleicht nicht das allerhöchste Niveau, sagen aber viel über ihre Persönlichkeit aus. Eine Art Tagebuch quasi.

Dann gab es aber auch die zahlreichen Schicksalsschläge, mit denen sie umgehen musste. Der Tod ihrer Tochter Sophie, dann später der Tod ihres Sohnes Kronprinz Rudolph. Doch was sie für ein Mensch war, das ist schwierig zu beantworten, darüber rätseln auch Historiker. Ich weiß die Antwort leider auch nicht.

Wie kann man sich das Verhältnis von Kaiserin Elisabeth zu ihren Kindern vorstellen?
Sie durfte sich nicht so um die Kinder kümmern, wie sie das gern gemacht hätte. Insbesondere um Sophie, Gisela und Kronprinz Rudolf. So fiel ihr Entschluss, wenn ich mich nicht kümmern darf, dann bin ich eine Zeitlang ganz weg. Als sie krank war und ein halbes Jahr nach Madeira und Korfu reiste, nahm sie die Kinder nicht mit.

Wie sah das Verhältnis zu ihrer Urgroßmutter Marie Valerie aus?
Ganz anders. Die Kaiserin sagte, dieses Kind möchte ich selbst aufziehen und mich um dieses Kind kümmern. Hauptsächlich geschah das in Ungarn, aus diesem Grund wurde meine Urgroßmutter auch das „ungarische Kind“ genannt. Marie Valerie hat tatsächlich sehr viel Liebe von der Kaiserin bekommen, gleichzeitig hat die Kaiserin aber auch sehr viel Liebe gefordert. Dieses Fordern hat Marie Valerie selbst sehr oft überfordert.

»Kaiserin Elisabeth litt unter schweren Depressionen«

Und als Marie Valerie dann Franz Salvator heiraten wollte, änderte sich das?
Das war sehr schmerzlich. Die Heirat wurde zwar von Kaiserin Elisabeth unterstützt, aber gleichzeitig sagte sie: Wenn du heiratest, kann ich für dich keine Liebe mehr empfinden. Dann muss ich dich abstoßen. So wie das ein Tier auch macht, wenn das Kind von einem anderen berührt ist.

Das klingt ganz schön brutal.
Ja, es ist sehr hart. Und das auszuhalten, war sicher schwer für sie. Marie Valerie hatte teilweise das Gefühl, sie muss verantwortlich sein für ihre Mutter. Wahrscheinlich auch, weil Kaiserin Elisabeth sehr unter Depressionen gelitten hat und die Gefahr immer präsent war, dass sie mit ihrer Todessehnsucht ihrem Sohn Rudolf folgt. Was sie natürlich nicht gemacht hat. Aber diese Angst war bei Marie Valerie da.

Das ist viel Verantwortung für ein Kind.
Das stimmt. Es hört sich zwar toll an, dass sie das Lieblingskind der Kaiserin war, aber sie hatte auch zu kämpfen. Beispielsweise mit der Eifersucht ihres Bruders Rudolph, der nicht nachvollziehen konnte, warum die kleine Schwester so viel Liebe bekommt und er nicht.

»Die Bezeichnung "Kaiserin Sisi" fand mein Vater unmöglich«

Was glauben Sie, was macht den Mythos der Kaiserin Elisabeth aus? Ist er vielleicht auch verbunden mit dem Film „Sissi“, in dem die Kaiserin von Romy Schneider verkörpert wird?
Der Film ist 1955, zehn Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, entstanden. Einer Zeit, in der noch nicht ganz klar war, wie es mit Österreich weitergeht. Und in dem Film hat man versucht, die Geschichte des Landes, die Zwischenkriegszeit, den Austrofaschismus, mit einer Art Zuckerguss zu überdecken, indem man eine Monarchie-Nostalgie entwarf. Meinem Vater hat das gar nicht gefallen, diese Verklärung. Für ihn war die Bezeichnung „Kaiserin Sisi“ auch ganz unmöglich.

Und wie sehen Sie den Film?
Ich sehe den Film natürlich auch als Künstler. Es gibt diese künstlerische Freiheit und jeder Film, der eine historische Geschichte erzählt, ist ja auch eine Fiktion. Die Fiktion ist ein kreativer Umgang mit der Wirklichkeit. Auch mein Buch ist in vielen Szenen eine Fiktion.

Romy Schneider ist mit dieser Rolle zu einer Legende geworden.
Romy Schneider spielt die Elisabeth berührend und großartig. Sie bringt in diesem gut gemachten Unterhaltungsfilm eine Tiefe rein, die recht ungewöhnlich ist.

Schauen Sie den Film jedes Jahr zu Weihnachten mit ihrer Familie?
Nicht jedes Jahr, aber ab und an. Letztes Weihnachten haben wir ihn gesehen.

Können Sie sich erklären, warum Kaiser Franz Joseph heute noch immer so populär ist?
Er hatte die Erscheinung eines Großvaters gehabt, mit seinem Backenbart. Den trug er seit seinem 29. Lebensjahr. Damit drückte er eine Art Beständigkeit für den Vielvölkerstaat „Österreich-Ungarn“ aus. Seine Persönlichkeit war es sicher auch, die diesen Vielvölkerstaat geeint hat. Kaiser Franz Joseph hat gespürt, dass wenn er stirbt, diese Verbindung nicht mehr lange zu halten ist.

Vielleicht ist das ein Wunsch in den Menschen, diese Verbundenheit zu erleben, auch wenn sie vielleicht gar nicht so real war.

Es gab ja auch Menschen, die dem Kaiser nicht so gut gesonnen waren.
Ich bin in Budapest der Frage nachgegangen, welche Erinnerungen die Menschen an Kaiser Franz Joseph haben. Und das waren sehr unterschiedliche. Einige Menschen waren sehr ablehnend. Die erinnerten sich, wie hart er 1848 bei der Revolution vorgegangen war. Die Armee war rigoros und gewalttätig.
Dann gab es andere, die ihn geschätzt haben. Denn nachdem der Ausgleich gelungen ist, kam der wirtschaftliche Aufschwung und Budapest wurde zu einer wichtigsten Städte Mitteleuropas.

»Kaiser Franz Joseph begab sich in eine Einbahnstraße, die in den Krieg geführt hat«

Sie tragen nicht die Schuld für das, was Ihre Familie getan hat; aber spüren Sie so etwas wie Verantwortung?
Es ist eine Art Unverständnis. Ich glaube, dass Kaiser Franz Joseph kein schlechter Mensch war. Manche sagen zu mir, „du stammst von diesem Kriegstreiber ab.“ Aber das war er definitiv nicht.

Können Sie das ausführen?
Als er mit 18 an die Macht kam, war er einfach zu unerfahren. Und da war die Revolution schon im vollen Gange. Er musste Entscheidungen treffen. Ich weiß nicht, ob er diese später bereut hat – ich hoffe.

Die Ermordung von Kronprinz Franz Ferdinand stellte auf der einen Seite die göttliche Ordnung wieder her – war er ja nicht standesgemäß verheiratet – die Tat musste aber auf der anderen Seite auch gerächt werden. Damit ging die Kriegserklärung an Serbien.

Mit dieser Pflicht, dem Beharren auf Ehre und Verträge, hat sich Kaiser Franz Joseph in eine Einbahnstraße begeben, die in den, bis zu diesem Zeitpunkt, schlimmsten Krieg geführt hat. Ich finde es schade, dass nicht mehr Diplomatie betrieben worden ist und auch nicht weitergedacht wurde.

Woran glauben Sie, ist die Monarchie zerbrochen?
Das hat sich schon vorher abgezeichnet. Der Nationalismus wurde immer stärker und jedes Land hatte den Wunsch: „Wir zuerst“.

Diese Bestrebungen gibt es ja auch aktuell wieder in Europa.
Ja, das stimmt. Stefan Zweig beschreibt das in seinem Buch „Die Welt von gestern“ sehr gut. Zweig beschreibt die Zeit kurz vor dem Ersten Weltkrieg , den aufkommenden Nationalismus und den stärker werdenden Antisemitismus. Vieles, was er da beschreibt ist erschreckend aktuell.

Machen Ihnen diese nationalistischen Bestrebungen in Europa Sorgen?
Ich glaube, dass man heute wacher ist; aufgrund dessen, was schon mal erlebt worden ist. Ich hoffe auch, dass diese wachen Leute, die stärkeren bleiben. Mein Wunsch, ist, dass man Dinge anspricht, dass man in den Dialog geht.

Eigentlich ist das das Wichtigste, dass die Menschen vielmehr miteinander sprechen und sich austauschen. Dadurch können Ängste genommen werden.

Sie glauben, dass ein Dialog noch möglich ist?
Das glaube ich schon, ja. Ich bin überzeugt, dass alle diesen Dialog suchen müssen. Es hat ja nicht nur immer eine Seite Recht, sondern man muss sich auch die Gegenseite anhören. So findet man Lösungen und erkennt andere Sichtweisen.

Was glauben Sie, würden Ihre Ururgroßeltern zum heutigen Österreich sagen?
Ich glaube Kaiserin Elisabeth wäre sehr glücklich über die Republik, weil sie schon damals sagte, dass die Republik die Zukunft sei. Bei Kaiser Franz Joseph könnte ich mir vorstellen, dass er sich vielleicht die konstitutionelle Monarchie wünschen würde.

»In mir steckt keine Monarchie-Nostalgie«

Wenn man nach Großbritannien, Schweden oder die Niederlande schaut: Die Königshäuser wachsen und erfreuen sich großer Beliebtheit. Schaut man da ein wenig wehmütig rüber?
Ich nicht. Ich bin zufrieden mit der Form der Republik. Die Errungenschaften, die 1955 mit dem Staatsvertrag einhergingen – Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Minderheitenschutz. Alle das gab es in der Monarchie nicht. Das gilt es aufrechtzuerhalten.

Auch ihr Leben wäre wohl anders verlaufen…
Viele denken, du bist doch Prinz, als Prinz musst du Dir doch die Monarchie wünschen, dann bist du viel mächtiger. Das ist aber nicht der Fall. Ich dürfte nicht Schauspieler sein, ich dürfte schon gar nicht Clown sein, ich hätte keine evangelische Frau heiraten dürfen. Ich dürfte so vieles nicht. Deshalb ist mir diese Form, die wir jetzt haben - und die man schützen muss - viel wichtiger als eine Monarchie. In mir steckt keine Monarchie-Nostalgie, was mich aber nicht davon abhält, mit der Geschichte meiner Vorfahren intensiver auseinanderzusetzen.

In der Ankündigung zu ihrem Buch „Der Kaiser und sein Sonnenschein“ heißt es: „Herr Altenburg gibt sehr private Einblicke hinter die Kulissen der kaiserlichen Familie.“ Könnten Sie uns einen Vorgeschmack auf eben solch einen privaten Einblick geben?
Mein Großvater Clemens und sein Großvater, Kaiser Franz Joseph, hatten ein sehr gutes und enges Verhältnis. Weil er das jüngste Kind war und ein sehr einnehmendes Wesen hatte, war er wohl der Lieblingsenkel. Ihm waren Freiheiten vergönnt, die die anderen Kinder nicht hatten.

Welche zum Beispiel?
Es gibt eine Anekdote, dass mein Großvater einen Teller mit seinem Lieblingsessen festhielt, während bei den anderen am Tisch schon abserviert wurde. Der Kaiser ließ es zu, dass mein Großvater noch weiter aß. Das hat es sonst nicht gegeben.

»Bei Kaiser Franz Joseph hat der Narr gefehlt«

Haben Sie noch eine weitere Anekdote?
Als mein Großvater vier Jahre alt wurde, wurde zu Weihnachten, nach der Jagd die Strecke aufgelegt (Nach einem Jagdtag wird das erlegte Wild in Reihen aufgelegt. Anm.)

Der Kaiser ist die Strecke abmarschiert und hat den einzelnen Schützen „Waidmannsheil“ gewünscht. Mein Großvater ist währenddessen hinter ihm her spaziert und hat alle Bewegungen nachgemacht.

© GREGOR ZIELKE. Leopold Altenburg als Clown LeoFinow

Diese Anekdoten mag ich so, weil sie viel mit Narrenfreiheit zu tun haben. Ich bin ja selber Clown und denke mir, bei Kaiser Franz Joseph hat der Narr gefehlt. Einer, der ihm hier und da mit Humor begegnet.

Hätte Kaiser Franz Joseph Ihre Berufswahl, die des Clowns, akzeptiert?
Ich glaube nicht (lacht).

Sie wären dann der „Hoffnarr“ der Familie gewesen…
Ich glaube, das hätte mein Ururgroßvater nicht so gerne gehabt.

Es gab da eine Art Scheu, dass ein Komiker nur Spaß macht. Aber ein Hofnarr bringt natürlich auch eine philosophische Tiefe in das Ganze und ich persönlich finde, dass ihm das gefehlt hat. Dass einer auf komödiantische, auf humorvolle Art seine Handlungen in Frage stellt. Ihn von nichts abhalten will, aber ihn anregt nachzudenken. Dann kann er selber entscheide, was er aus diesen Informationen macht.

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