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11.12.2007

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Die Kunstszene
Berlin zieht immer mehr junge Künstler aus Japan an. Sie schätzen die kreative Atmosphäre, arbeiten im alternativen Kunsthaus Tacheles und stellen in der Galerie Murata & Friends aus

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Die Tür ist nur ein Schlitz: 40 Zentimeter breit und drei Meter hoch, aus milchigem Kunststoff. Sie könnte ein Kunstobjekt sein. Wer neugierig ist, stößt sie an – und betritt eine der interessantesten Galerien Berlins: Murata & Friends. Seit sechs Jahren präsentieren Manabi Murata, 33, und Eri Kawamura, 29, in einem unsanierten Haus in der Rosenthaler Straße im Berliner In-Bezirk Mitte innovative, junge Kunst vor allem japanischer Künstler. Murata, Sohn einer deutschen Mutter und eines japanischen Vaters wuchs in der DDR auf. Nach der Wende erlernte er die Sprache seines Vaters, studierte Architektur und ging für ein Jahr nach Tokio. Dort lernte er Architekten, Künstler und Eri Kawamura kennen. Es entstand die Idee, in Berlin die klassische Teehauskultur mit japanischer Kunst zu kombinieren. Aber noch ehe das Teehaus in der Hinterhof-Galerie errichtet wurde, realisierten Murata und Kawamura die ersten Ausstellungen. Seitdem fördern sie aktiv junge Künstler. Rund 25 Kreative lebten und arbeiteten bislang in dem eigens eingerichteten Gästezimmer.

Einer von ihnen ist Yuken Teruya. Der 31-jährige Künstler von der Insel Okinawa arbeitet mit historischen Bezügen und amerikanischen Einflüssen. So spielt er in seinem Werk auf die amerikanische Invasion in Japan an. Er fertigte einen traditionellen Kimono im typischen Okinawa-Stil. Die Blumenmuster entpuppen sich bei genauerem Hinsehen jedoch als Fallschirmspringer und Flugzeuge. Der 36-jährige Izumi Kato hingegen irritiert durch seine mit Öl gemalten menschenähnlichen Wesen, die etwas Außerirdisches haben. Und Tatsuya Higuchi, Jahrgang 1972, fertigt „Himmelsboxen“. Dazu fotografierte er in Japan und Berlin den Himmel zu unterschiedlichen Tageszeiten, faltete die Diafilme zu Schachteln und beleuchtete sie. Kleine, unspektakuläre Arbeiten, die jedoch einen tiefen Eindruck hinterlassen.

Murata & Friends sind einzigartig in Berlin. Denn rein japanische Galerien gibt es in der Hauptstadt nicht. Nur die Galerie Ikeda in Prenzlauer Berg, eine Dependance des in Japan und New York ansässigen Haupthauses, vertritt neben amerikanischen und englischen auch japanische Künstler. Manabi Murata schätzt, dass rund fünfzig japanische Künstler in der deutschen Hauptstadt leben und arbeiten. Sie kommen wegen der kreativen Atmosphäre und der geringen Lebenshaltungskosten.

Hirofumi Matsuzaki kam im vergangenen September nach Berlin. Der 25-jährige Künstler aus Hiroshima hatte in Japan sein Malerei-Studium abgeschlossen und dann ein Jahr in Hannover Grafik studiert. Jetzt arbeitet er im Kunsthaus Tacheles im Bezirk Mitte, nur einen Katzensprung von der Galerie Murata & Friends entfernt. Seine Bilder bestehen aus geometrischen Formen, aus Säulen, Straßen und Wolken. Immer wieder taucht das Motiv des Vorhangs am äußeren Bildrand auf. „Dadurch versuche ich eine zweite Dimension zu schaffen. Das ist für mich wie der Eingang in eine neue Welt“, erklärt er. Erst kürzlich hatte er eine Ausstellung in Wolfsburg. Ab und zu verkauft er Bilder an Touristen, die ins Tacheles kommen. Matsuzaki hat nicht viel Geld, aber darauf kommt es ihm auch nicht an. Im Gegensatz zu Japan kann er sich in Berlin auf die Kunst konzentrieren. Viele seiner ehemaligen Kommilitonen in Japan würden nicht mehr als Künstler arbeiten, sagt er. Sie müssten ihr Geld als Kunstlehrer verdienen. Wer in Japan von seiner Kunst leben wolle, müsse nebenbei arbeiten gehen.

Das Kunsthaus Tacheles ist die Ruine eines ehemaligen Kaufhauses aus der Jahrhundertwende. Im Zweiten Weltkrieg wurden die fünfstöckigen, einst prunkvollen Friedrichstadtpassagen stark zerstört, in den 70er Jahren teilweise abgerissen. Nach dem Mauerfall besetzten Künstler die Ruine. Seitdem ist das russgeschwärzte, farbig bemalte und mit Graffitis versehene Tacheles ein alternatives Kunsthaus. Künstler aus aller Welt leben und arbeiten in den Ateliers im dritten Stock. Im Erdgeschoss befindet sich eine Galerie. Dort können Besucher noch junge Kunst zu moderaten Preisen kaufen. Oder im Café Zapa auf zusammengeschweißten Barhockern die Atmosphäre genießen.

Das Tacheles ist das Zentrum der kleinen japanischen Kunstszene in Berlin. Fast ein Dutzend japanische Künstler arbeiten hier, darunter die 70-jährige Kalligrafin Shimon Suiko, die an der Universität der Künste unterrichtete und auf vielen Kunst-Biennalen ausgezeichnet wurde. Oder der 29-jährige Kawagushi Tadashi. Er stammt aus Kioto und lebt seit 2003 in Berlin. Tadashi hat in Japan Grafikdesign studiert und wollte sich in Deutschland ein neues Leben aufbauen. „Ich brauchte das Gefühl von Freiheit, das ich in der Form in Japan nicht hatte“, erklärt er. Jetzt teilt er sich das Atelier mit zwei anderen japanischen Künstlern, und schlägt sich mit verschiedenen Tätigkeiten durchs Leben. Er gestaltet Jeans per Pinselstrich und bedruckt T-Shirts, macht Tanzperformances in Clubs und jobbt im japanischen Szene-Restaurant Sasaya in Prenzlauer Berg. Tadashi ist froh, in Berlin zu sein. „Hier kann ich machen, was ich will und komme – anders als in Japan – mit wenig Geld aus. Das ist Lebensqualität.“


Katja Winckler


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