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Rumänien: Der "deutsche" Hoffnungsträger

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Präsidentschaftswahl in Rumänien Der "Deutsche" lehrt die alten Kader das Fürchten

Rumänien könnte ein deutschstämmiges Staatsoberhaupt bekommen. Präsidentschaftskandidat Johannis nutzt im Wahlkampf das Klischee der deutschen Tugenden. Die korrupten Machthaber fühlen sich bedroht - und befeuern eine Hetzkampagne.

Er soll Kinder an Organhändler verkauft haben. Er soll auf betrügerische Weise Immobilien erworben und öffentliche Gelder veruntreut haben. Er soll ein ausländischer Agent und Separatist sein, der das Land zerreißen will.

Der Mann, dem diese üble Nachrede gilt, heißt Klaus Johannis. Er gehört der kleinen deutschen Minderheit Rumäniens an und amtiert seit vierzehn Jahren als Bürgermeister im siebenbürgischen Hermannstadt (Sibiu). In dieser Funktion ließ er in seinem Geburtsort den Müll von den Straßen beseitigen und die Korruption aus der Verwaltung. Er sanierte die marode Infrastruktur und warb seriöse ausländische Investoren an. Deshalb wählten ihn die Hermannstädter mehrfach wieder. Auch landesweit genoss er einen tadellosen Ruf.

Seit der 55-Jährige jedoch für das Amt des Staatspräsidenten kandidiert, läuft eine außergewöhnlich schmutzige und nationalistische Hetzkampagne gegen ihn. Der Grund: Johannis könnte tatsächlich gewinnen - was sein Kontrahent, Regierungschef Victor Ponta, unbedingt verhindern will.

Doch es wird eng für Ponta, einen Zögling der korrupten Wendekommunisten. Im ersten Wahlgang vor zwei Wochen erreichte Johannis mit 30 Prozent einen starken zweiten Platz hinter Ponta, der auf 40 Prozent kam. Am Sonntag findet die Stichwahl statt, und laut letzten Umfragen liegen nur wenige Prozentpunkte zwischen beiden Kandidaten.

Ruf als unbestechlicher Deutscher

"Im europäischen Kontext ist Johannis ein normaler Politiker, in Rumänien aber eine Ausnahme", erklärt die rumänische Politologin Alina Mungiu-Pippidi die Sehnsucht nach einem, der Ordnung schafft. "Er verhält sich demokratisch, veranstaltet als Bürgermeister korrekte öffentliche Ausschreibungen und gibt den Leuten für ihre Steuern einen Gegenwert."

Zwar kommt Johannis nicht aus dem Ausland, wie seine Gegner behaupten - er ist in Rumänien geboren, mit einer Rumänin verheiratet und wollte nie auswandern. Aber er weiß nur zu gut um seinen Ruf als zupackender Deutscher, der nicht herumschwätzt. "Für ein Rumänien der gut gemachten Sache", lautet sein Wahlkampfslogan. Er verspricht, als Staatspräsident vor allem für einen entschlossenen Kampf gegen Korruption und für mehr Transparenz in Staat und Verwaltung einzutreten.

Johannis ist oft unbeholfen und holprig in seinem Auftreten. Zwar mischt er schon seit Längerem in der großen rumänischen Politik mit. Er übernahm im Juni den Vorsitz der Nationalliberalen Partei (PNL) und baute die Christlich-Liberale Allianz (ACL) mit auf, für die er als Präsidentschaftskandidat antritt. Doch er wirkt, als fände er sich im wilden Bukarester Politdschungel nicht zurecht.

Ceausescu-Kader und Securitate-Offiziere

Dennoch fühlen sich die derzeitigen Machthaber von Johannis' Nimbus des Unbestechlichen und Anständigen zutiefst bedroht. Für sie geht es um viel: nicht nur um Macht und Pfründe, sondern auch um persönliche Freiheit. Denn Rumäniens Antikorruptionsbeamte werden immer forscher. In den letzten Monaten landeten zahlreiche bislang als unantastbar geltende Spitzenpolitiker im Gefängnis oder in Untersuchungshaft, darunter auch solche der regierenden Sozialdemokratischen Partei (PSD). Sie führt in ihren Reihen viele ehemalige Ceausescu-Kader, frühere Securitate-Offiziere und korrupte neureiche Lokalfürsten. PSD-Vorsitzender ist Ponta.

Karriere machte der joviale und geschmeidige Jurist, der seine Meinung häufig ändert, unter Adrian Nastase. Der Ex-Regierungschef saß bis vor Kurzem wegen mehrerer Korruptionsaffären im Gefängnis. Gegen Pontas Schwiegervater, einen hochrangigen PSD-Funktionär, wird derzeit ermittelt, weil er in kriminelle Holz- und Forstgeschäfte verwickelt sein soll. Ponta selbst hat sich für Teile seiner juristischen Doktorarbeit nachweislich bei anderen Autoren bedient. Doch die Kommission, die den Fall untersuchte, ließ er auflösen, eine Parteifreundin verhinderte, dass er seinen Titel verlor. "Als Präsident wird Ponta den Kampf gegen die Korruption dirigieren und verlangsamen, nicht direkt, sondern aus dem Hintergrund", prognostiziert Alina Mungiu-Pippidi, die derzeit in Berlin lehrt.

Ende August änderte die Ponta-Regierung per Dekret einen Passus der Antikorruptionsgesetzgebung, demzufolge Bürgermeister in ihrer Amtszeit die Partei nicht wechseln dürfen. Mit dem Versprechen großzügiger finanzieller Unterstützung wurden anschließend viele von ihnen in die PSD gelockt. Sie sollen nun dafür sorgen, dass die Wähler für Ponta stimmen. In ähnlicher Weise instrumentalisiert die Regierung offenbar auch viele Priester der orthodoxen Staatskirche, wie die einflussreiche Bukarester Online-Zeitung "Gandul" vor wenigen Tagen aufdeckte.

Den überwiegend Ponta-kritischen Auslandsrumänen hingegen wurde die Abstimmung schwer gemacht: Europaweit, auch in Deutschland, warteten in der ersten Runde vor rumänischen Konsulaten Zehntausende Wähler stundenlang - oft vergeblich. Begründung: technische und logistische Probleme.