Diskussion um Biokraftstoff E10:Mensch vor Maschine

Die einen sagen "gut", die anderen "des Teufels": Die Debatte um den umstrittenen Biosprit E10 wird viel zu platt geführt, es ist leider alles ein bisschen komplizierter. Eines aber steht fest: Wenn in Zeiten von Hunger Getreide in Tanks landet, ist daran nicht der Biosprit schuld - sondern die Biosprit-Politik.

Daniela Kuhr, Berlin

In einer komplizierten Welt neigt man dazu, die Dinge zu vereinfachen. Und so wird auch die Debatte über den umstrittenen Biosprit E 10 sehr vereinfacht geführt - von Gegnern wie Befürwortern gleichermaßen. Biosprit ist weder nur gut, wie seine Anhänger glauben machen wollen. Noch ist er des Teufels, wie manche Kritiker nahelegen. Es ist eben leider alles ein bisschen komplizierter.

Die Biokraftstoff-Industrie und auch viele Landwirte behaupten, es gebe keinerlei Zusammenhang zwischen dem Hunger in der Welt und Biokraftstoffen. Dass diese Aussage haltlos ist, lässt sich schon allein an der Entwicklung der weltweiten Getreidevorräte ablesen. Seit einigen Jahren sinken sie kontinuierlich. Momentan befinden sich noch 105 Millionen Tonnen Getreide in den Lagern, während gleichzeitig jährlich 150 Millionen Tonnen Getreide zu Bioethanol verarbeitet werden.

Das Angebot wird also knapp, während gleichzeitig die Nachfrage steigt. Man muss nicht Wirtschaft studiert haben, um zu wissen, dass in so einer Situation die Preise anziehen. Je mehr aber Getreide kostet, umso schwieriger wird es für arme Menschen, sich mit Lebensmitteln einzudecken. Sicher: Es gibt viele weitere Faktoren, die zum Hunger in der Welt beitragen. Dass Biosprit aber überhaupt keinen Einfluss hat, ist falsch.

Allerdings ist es genauso falsch, E 10, E 5 oder auch Biodiesel deshalb rundweg zu verdammen. Natürlich können sie helfen, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen im Verkehrssektor zu verringern. Doch vor allem in der Landwirtschaft schätzt man diese Kraftstoffe mittlerweile sehr. Dort hat die Bioethanol-Produktion in den vergangenen Jahren spürbar dazu beigetragen, die Preise zu stabilisieren. Eine Entwicklung, von der Menschen auch in anderen Teilen der Welt profitieren können.

Denn während amerikanische und europäische Bauern früher nach guten Ernten all ihr überschüssiges Getreide zu Ramschpreisen in Entwicklungsländer lieferten - mit verheerenden Folgen für die dortige Landwirtschaft - steht ihnen jetzt mit dem Biosprit ein deutlich besseres Ventil für Überschüsse zur Verfügung. Insofern kann Biosprit also Gutes bewirken: Indem er den Bauern ein relativ sicheres Einkommen garantiert, setzt er zugleich Anreize, mehr zu produzieren - in den USA, in Europa, vor allem aber in den Entwicklungsländern, wo man die hohen Preise hoffentlich endlich nutzt, die heimische Landwirtschaft wieder in Gang zu bringen.

Und doch bleiben Zweifel. Voraussetzung für ein so positives Urteil über Biosprit wäre nämlich, dass wirklich nur Überschüsse verwendet werden. Doch dem steht die starre Beimischungsquote entgegen, die EU und Bund den Mineralölkonzernen vorgegeben haben. Diese Quote nimmt keine Rücksicht auf Dürren, Knappheiten oder Hungersnöte. Helfen könnte nur ein flexibles System. Eines, das garantiert, dass der Mensch immer zuerst kommt, und erst dann die Maschine. Wenn in Zeiten von Hunger Getreide in Tanks landet, dann ist daran jedoch nicht der Biosprit schuld - sondern die Biosprit-Politik.

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