Freundschaft statt FPÖ

Studie. Eingebürgerte Migranten tendieren mehrheitlich zu Rot-Grün

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Buntes Gemüse, Standler mit schwarzem Schnurrbart, Frauen mit Einkaufssackerl und Kopftuch und dazwischen Männer mit Schmissen und HC-Strache-Jacken. Von jedem Wahlkampf werden verlässlich derartige (Fernseh-)Bilder von FPÖ-Auftritten auf Wiener Märkten geliefert – und führen zur Legende, dass Zuwanderer zur treuesten Klientel der FPÖ gehören. Auch die FPÖ selbst glaubt gern an diesen Mythos: Man sei bei Migranten zweitstärkste Kraft, tönte FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky im Brustton der Überzeugung nach der Nationalratswahl 2008. Auch für die Wiener Wahl im Herbst ist er optimistisch: „Als patriotische Partei sind wir für Eingebürgerte attraktiv.“

Die FPÖ könnte sich täuschen.

Gerade in Wien sind Ausländer nicht nur ein Wahlkampfthema, sondern auch eine zunehmend wichtigere Wählergruppe. Ein Drittel der Wiener Wohnbevölkerung hat Migrationshintergrund, von den rund 950.000 Wahlberechtigten sind fast ein Fünftel Zuwanderer der ersten oder zweiten Generation mit österreichischer Staatsbürgerschaft. In der zwischen SPÖ und FPÖ besonders umkämpften Zielgruppe der Arbeiter ist überhaupt jeder Vierte ein eingebürgerter Ausländer.

Die FPÖ-Slogans wie „Daham statt Islam“ oder „Pummerin statt Muezzin“ zeitigen in diesem Wählersegment offenbar Wirkung. Die Politikforscher der Institute Ifes und TrendCom erhoben in einer groß angelegten Umfrage unter 2000 Befragten, welche Parteien für Neo-Österreicher attraktiv sind, und zwar getrennt nach den Hauptherkunftsländern. Das Ergebnis, das profil vorliegt, ist durchaus überraschend: Die SPÖ liegt weit voran, die Grünen sind entgegen allen Vorurteilen stark – und die FPÖ kommt nicht einmal annähernd an ihre Resultate heran, die sie beim Rest der Wiener Bevölkerung einfährt.

Absolute Mehrheit für SPÖ.
Der Befund im Detail: Unter den Wienern mit türkischen Wurzeln feiert die SPÖ Höhenflüge und kommt auf 78 Prozent, die Grünen sind mit 16 Prozent die zweitstärkste Partei, die ÖVP mit fünf und die FPÖ mit rund einem Prozent landen abgeschlagen auf den hinteren Rängen. Mit christlichen Werten oder islamfeindlichen Parolen sind offensichtlich bei dieser Wählerklientel keine Punkte zu machen. Unter den katholisch geprägten Neo-Österreichern mit polnischen Wurzeln ist die ÖVP zwar stärker und kommt auf über 20 Prozent, das ändert aber nichts an der absoluten Mehrheit der SPÖ. Auch in dieser Wählergruppe grundelt die FPÖ bei sechs Prozent. Die Resultate unter den Zuwanderern aus Tschechien, Ungarn und der Slowakei sind ähnlich. Zum Vergleich: Bei der jüngsten Wahl in Wien, der Nationalratswahl im Jahr 2008, kam die SPÖ auf 34, die FPÖ auf 20, die ÖVP auf 17 und die Grünen auf 16 Prozent.

Selbst unter den Neo-Österreichern aus dem ehemaligen Jugoslawien erzielt die SPÖ 56 Prozent. In der Gruppe der Zuwanderer aus Serbien, Bosnien und Kroatien kann die FPÖ noch am ehesten reüssieren und erreicht 27 Prozent. Kein Wunder, FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache umwirbt seit geraumer Zeit gezielt serbische Wähler. Er tritt mit dem serbischen Armband mit 33 Knoten auf, der Brojanica, dem religiösen Symbol der Serbisch-Orthodoxen. Er wettert gegen die Unabhängigkeit des Kosovo, besucht serbische Messen und installierte mit Konstantin Dobrilovic einen Serben als Präsidenten der neuen freiheitlichen Vorfeldorganisation, der „Christlich-Freiheitlichen Plattform“.

Der Erfolg der FPÖ unter diesen Wählern ist allerdings relativ, analysiert Politikforscher Christoph Hofinger vom Sora-Institut: „Diese Wählergruppe wäre eine klassische Hochburg für die FPÖ, weil sie jung ist und einen geringen Bildungsgrad aufweist. Angesichts dieser Voraussetzungen ist der FPÖ-Anteil vergleichsweise niedrig.“

Junge nicht verrückt nach rechts.
Der politische Gusto von jungen Zuwanderern wurde nicht extra erhoben. Die Analysten von Ifes/TrendCom folgern allerdings, dass die SPÖ in dieser Gruppe überproportional profitiert. Sie schließen das aus der Befragung der Jungwähler, unter denen die Zuwanderer etwa 40 Prozent ausmachen. Von den Erstwählern bei der Wiener Wahl, also den 16- bis 21-Jährigen, deklarieren sich fast 40 Prozent für die SPÖ, rund 27 für die Grünen – und nur 16 Prozent für die FPÖ (siehe Grafik). Bei der Nationalratswahl 2008 hatte in der Generation unter 30 fast jeder Zweite FPÖ oder BZÖ gewählt. In Wien hingegen scheinen die Jungen nicht verrückt nach rechts zu sein.

Ein Merkmal haben alle Zuwanderergruppen gemein: Ihre Wahlbeteiligung ist niedriger als in anderen Bevölkerungsschichten. Auch deshalb umwerben die Wiener Parteien Neo-Österreicher diesmal gezielt mit „Ethno“-Kandidaten. Bisher hatten von 55 SPÖ-Abgeordneten im Wiener Gemeinderat lediglich drei Migrationshintergrund. Auf der roten Wahlliste für die Wahl im Oktober finden sich diesmal 15 Prozent Kandidaten mit Zuwandererwurzeln – allerdings meist auf den hinteren Plätzen. „Die Liste ist ein Spiegelbild der Wiener Gesellschaft“, sagt der Wiener SPÖ-Landesgeschäftsführer Christian Deutsch dennoch nicht ohne Stolz. Für die Grünen gehören Migrantenkandidaten in Wien ohnehin seit Jahren zur politischen Routine.

Selbst die FPÖ sucht für die Wahl noch nach einem Aushängeschild, das in die Zuwanderer-Community hineinwirken soll. Bisher allerdings hat sich noch kein passender Ex-Ausländer gefunden.

Eva   Linsinger

Eva Linsinger

Innenpolitik-Ressortleitung, stellvertretende Chefredakteurin