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Teresa Enke Letzte Hoffnung Liebe

Teresa Enke ist eine starke Frau. Nur wenige Stunden nach dem Freitod ihres Mannes stellte sie sich der Presse und gab Auskunft über das verstörte Seelenleben ihres Mannes. Ein bewegender Auftritt.
Von Martin Sonnleitner, Hannover

Als Hannovers Pressechef Andreas Kuhnt an diesem tristen Mittwochmittag die Pressekonferenz mit traurigen, warmen Worten eröffnete, war er einer von vielen mit belegter Stimme und roten Augen. Rund 250 Journalisten wollten Aufklärung. Warum hat sich Robert Enke das Leben genommen? Kuhnt lüftete schnell das Geheimnis. Enke litt unter der Volkskrankheit Depression. Chronisch, wahrscheinlich irreversibel. Neben seinem langjährigen Psychotherapeuten Valentin Marksen aus Köln nahm auch seine Frau auf dem Podium Platz. Es war seine Teresa, die den schweren Weg in die Öffentlichkeit nicht scheute.

Marksen ergriff das Wort: "Robert kam 2003 zum ersten Mal zu mir in die Praxis." Damals spielte Enke beim europäischen Topverein FC Barcelona. Der junge Keeper litt unter Erfolgsdruck, konnte sich bei den Katalanen nicht durchsetzen. "Robert hatte Depressionen, Versagensängste", so Marksen weiter. Doch der Gesundheitszustand schien sich zu stabilisieren. 2004 landete Enke schließlich in der Leinestadt bei Hannover 96. Es begann die Phase, in der er ins Rampenlicht der deutschen Öffentlichkeit geriet. Wegen seiner Leistungen.

"Wir hatten absolut keine Ahnung, auch der Mannschaftsarzt nicht", beteuerte ein fassungsloser "96"-Präsident Martin Kind. Sein Psychologe aber wusste Bescheid: "Im Sommer hatte er eine unklare Infektion", berichtete Marksen. Daraus resultierten "affektive Einschränkungen und Antriebsstörungen", lautete der medizinische Befund. Enke stabilisierte sich wieder und machte noch zwei Bundesligaspiele, das letzte am Sonntag, ein Heimspiel gegen den Hamburger SV. Seine Nationalmannschaftskarriere schien seitdem allerdings wieder auf der Kippe.

"Der Antrieb und die Hoffnung auf Besserung haben gefehlt"

Je länger man dem Therapeuten an diesem Mittwochmittag zuhörte, desto klarer wurde allen: Enkes Seele hing am seidenen Faden. Der Torwart habe sowohl stationäre als auch ambulante Behandlung abgelehnt. Und es bestand wohl auch laut Marksen keine akute Indikation für eine Zwangseinweisung, zumal die Depression in chronischen Schüben verlaufen sei.

Dann kam seine Teresa. Tief in sich gekehrt und mit verweinten Augen berichtete sie aus einer glücklichen und auch schwierigen Zeit mit einem seltenen Menschen. Wie stark muss diese Frau sein! "Es waren akute Schübe", blickte sie traurig zurück. "Der Antrieb und die Hoffnung auf Besserung haben gefehlt." dann lüftete sie Enkes großes Geheimnis: "Er hatte Angst vor der Öffentlichkeit, davor, den Sport zu verlieren." Anteilnahme und Respekt vor dieser tapferen Frau strömten durch den dicht gefüllten Pressesaal, als Teresa Enke von ihrem gemeinsamen Schicksal erzählte: "Der Tod Laras hat uns noch mehr zusammengeschweißt. Wir dachten, durch Liebe geht es."

Keiner bemerkte, wie kritisch es um Enke stand

Doch der Druck Enkes wuchs und wuchs. Fußball sei für ihn Halt, Kraft, Lebenselixier gewesen. "Ich habe versucht, ihm zu sagen, dass Fußball nicht alles ist." Vielleicht die wichtigste Erkenntnis an diesem so traurigen Tag für alle anwesenden Protagonisten. Enke habe auch Angst um seine Adoptivtochter Leila gehabt. Angst, dass man sie ihm wegnehmen könne. Deshalb habe er seinen wahren Seelenzustand in der Öffentlichkeit nie preisgeben wollen.

Der Fachmann Marksen attestierte eine Art Parallelwelt, in die sich psychisch Erkrankte begeben, "eine zweite Ebene", um die Depression zu verbergen. Trotz engmaschiger Betreuung habe auch er nicht bemerkt, wie kritisch es um Robert Enke stand. Seine Teresa hielt einen denkwürdigen Menschen in Erinnerung: "Er hat sich liebevoll um seine Tochter gekümmert. Bis zum Schluss."

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